Pilgern ohne Neukäufe

Wenn mir jemand vor drei Wochen gesagt hätte, dass ich morgen auf dem Jakobsweg pilgern würde - ich hätte laut losgelacht. Als ob ich mitten in der Examensvorbereitung mal eben so für zehn Tage nach Portugal fliegen könnte. Tja, aber nun wird sich ganz, ganz spontan ein lang gehegter Traum erfüllen. 

Ich werde im Rahmen der Nachwuchsförderung der Evangelisch-lutherischen Kirche in Oldenburg als Teamerin mit auf eine Pilgerfreizeit fliegen. 

Von Porto bis Santiago de Compostela, 250 Kilometer.
Eine so kurzfristige Reise verlangt einiges an Organisation. Meine Isomatte, mein Schlafsack? Liegen beide bei meinen Eltern. Reisehandtuch? Wanderschuhe und -socken? Regenabdeckung für den Trekkingrucksack? Besitze ich alles gar nicht. Also habe ich mir im Freundeskreis allerlei Equipment zusammengeliehen.

Schlafsack
Ich habe mir einen ganz kleinen, dünnen von einer Freundin geliehen. Bei den aktuellen Temperaturen in Portugal sollte der ausreichen. Mein eigener wäre vermutlich ohnehin viel zu dick und zu schwer gewesen. :D

Rucksack
Mein Trekkingrucksack mit 50+10 Litern ist eigentlich viel zu groß für diesen Trip. Man soll ja mit so wenig Gepäck wie möglich reisen, im Idealfall nicht mehr als 10% des eigenen Körpergewichtes und auf keinen Fall mehr als 10kg. Ein großer Rucksack verleitet dazu, Unnötiges einzupacken. Ich hab mich aber ganz streng an die Packliste gehalten und liege mit 7 kg noch einigermaßen im Rahmen. Dazu kommen allerdings noch zwei Liter Wasser plus Gruppengepäck...mal gucken, was mein Rücken dazu sagt.

Regenabdeckung (für den Rucksack)
Hab ich nicht. Statt einer Regenjacke habe ich mein Regencape eingepackt und kann damit zur Not auch den Rucksack abdecken. Das habe ich heute beim Unwetter schon einmal getestet - passt. Ich hoffe trotzdem auf sonniges Wetter in Portugal. 🌞

Wanderschuhe
Ich habe mich dagegen entschieden, Wanderschuhe zu kaufen. Leihen fällt bei Schuhen aus, und ich hätte es in den knapp zweieinhalb Wochen wohl kaum geschafft, die Schuhe angemessen einzulaufen. Außerdem haben mir viele FreundInnen mit Pilgererfahrung davon abgeraten, schwere Wanderschuhe zu kaufen. Feste Halb- oder Turnschuhe können ggf. die bessere Wahl sein. Also werde ich mich mit meinen uralten - aber furchtbar bequemen! - Britney-Spears-Sketchers auf den Weg nach Santiago de Compostela machen. :)

Wandersocken
Der einzige Neukauf. Ich war mit meinem fertig gepackten Rucksack im Outdoorladen, um alle Gurte und Träger richtig anpassen zu lassen (ein netter Service, den man unbedingt annehmen sollte!). Bei der Gelegenheit habe ich Wandersocken gekauft und bin gespannt, inwiefern die meine Füße zusätzlich vor Druckstellen und Blasen schützen werden.
Ich war übrigens überrascht, was man so alles an Outdoor-Equipment kaufen kann. Ganz viele praktische Werkzeuge, Funktionskleidung und andere Dinge. Ich musste mich etwas zusammennehmen, um nicht in einen völligen Kaufrausch zu verfallen. Mal abgesehen davon, dass es beim Pilgern darum geht, mit möglichst leichtem Gepäck zu reisen, würde ich den Großteil der angebotenen Produkte wohl nie wieder brauchen. Also: Neukauf - nein danke. Es ist bei den Socken geblieben. Wusstet Ihr eigentlich, dass man für ein paar solcher Socken 20-25€ zahlt?! 🙈

Isomatte
Vermutlich werden wir in Pilgerherbergen übernachten, in denen es Betten gibt. Allerdings kann es mit einer zwölfköpfigen Reisegruppe auch mal passieren, dass wir keinen Platz finden. Dann müssen wir ggf. unter freiem Himmel auf der Isomatte schlafen. Ganz schön romantisch, diese Vorstellung (an die Rückenschmerzen denke ich jetzt noch nicht :D). Für diesen Fall habe ich mir also sicherheitshalber meine Isomatte von zu Hause schicken lassen (hier hatten nämlich alle nur so hightec-Matten, die sich selbst aufpusten - leider viiiel zu schwer für's Pilgern).

Hirschtalg
Uuh, schwieriges Thema. Wurde mir von allen Seiten empfohlen ("UNDBEDINGT!!!"), um Blasen an den Füßen vorzubeugen ("es verhindert Wundwerden der Haut und im besten Fall auch Blasenbildung"). Man reibt sich Wochen vor der Reise täglich mehrmals die Füße damit ein und macht sie so geschmeidig. Meine Recherche hat mir allerdings traurige Gewissheit verschafft, dass da tatsächlich Tiere verarbeitet werden: Hirschtalg ist der geschmolzene Talg von Hirschen - also nicht vegetariergeeignet. Eine Freundin hat mir dann die Kaufentscheidung abgenommen, indem sie mir ihre halbleere Hirschtalg-Creme geschenkt hat, die sie nicht mehr brauchte und die ansonsten wahrscheinlich irgendwann im Müll gelandet wäre. Das wäre ja dann auch nicht nett dem Hirsch gegenüber gewesen. (Bei Codecheck habe ich genau die Creme gefunden, adeps cervidae steht an dritter stelle, d.h. es ist tatsächlich recht viel Hirschtalg drin.)

Viel mehr habe ich dann auch gar nicht dabei. 

Neben den Klamotten, die ich am Leib trage, nehme ich noch ein zweites Outfit mit (für nach-dem-Duschen). Wir werden abends waschen, deshalb passt das schon. Am nächsten Morgen ist man ohnehin nach einer halben Stunde wieder vollgeschwitzt. :D
In meinem Kulturbeutel befinden sich ein paar Pflaster, Wund- und Heilsalbe, meine Zahnbürste, Zahnpulver, Deo, drei kleine Stücke Seife (Haarseife, Abschminkseife und "normale" Seife - viel leichter, als Shampooflaschen & Co. mitzuschleppen!) und natürlich Sonnencreme.

Das war's.

Ich bin so unendlich gespannt darauf, was mich auf der Reise erwarten wird. Ich bin da völlig unerfahren, aber spätestens seit "Ich bin dann mal weg" ziemlich angefixt von der Idee zu pilgern. Zu Fuß  in der Natur unterwegs sein, Zeit für sich selbst und Zeit für Gott haben - das alles kommt bei mir in letzter Zeit echt viel zu kurz. Mittlerweile bin ich deshalb überzeugt davon, dass mir diese Auszeit gut tun wird. Zehn Tage ohne social media, ohne Lernstress, ohne Zukunftssorgen (hoffentlich!).

In zehn Tagen (naja, vermutlich wird's etwas länger dauern, bis ich wieder zum Bloggen komme) werde ich berichten, wie es mir ergangen ist, wie meine Füße aussehen und ob ich mit dem geliehenen Kram zurecht gekommen bin.

Ich bin dann mal weg!